Auf den Spuren unseres Essens.
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Auf den Spuren unseres Essens.

Auf den Spuren unseres Essens.

Ich esse, also ver­ant­wor­te ich

Wie kann eine fai­re Ernäh­rung in unse­rer Stadt aus­se­hen, und wie kön­nen wir sie ermög­li­chen? Die­se Fra­ge bewegt und moti­viert mich schon seit eini­gen Jah­ren. Eine gute Ant­wort ist natür­lich die Stär­kung öko­lo­gi­scher und regio­na­ler Lebens­mit­tel­kreis­läu­fe. Aber wer von uns ernährt sich aus­schließ­lich regio­nal? Ich genie­ße es schon, mir auch mal eine Pri­se Pfef­fer auf die fri­schen Som­mer­to­ma­ten zu streu­en, im Som­mer ein Vanil­le­eis zu lecken oder mir einen fri­schen Kaf­fee auf­zu­brü­hen. Mmmmmh …

Aber wie kom­men die­se Lecke­rei­en eigent­lich zu uns, wie und von wem wer­den sie ange­baut und ver­ar­bei­tet? Um das zu ver­ste­hen, bin ich im regel­mä­ßi­gen Kon­takt mit loka­len Land­wirt­schafts­be­trie­ben und Direkt­händ­lern wie Jens Klein von Café Chavalo oder Chris­ti­an Tihl von OLI.VEN.OEL und tau­sche mich über Essen und Ver­ant­wor­tung aus. Für mich ist klar: ich esse, also ver­ant­wor­te ich!

Und wie kann man sich ein Bild machen über das, was man da mit­ver­ant­wor­tet? Einer­seits gibt es natür­lich schon eini­ge span­nen­de Repor­ta­gen über Bio-Lebens­mit­tel aus dem Aus­land. Aber da ich ja selbst nicht nur kon­su­mie­re, son­dern als Pro­du­zent auch noch die Ver­ant­wor­tung dafür tra­ge, wen ich vor Ort als Part­ner wäh­le und war­um, woll­te ich mir gern selbst ein Bild davon machen, wie exo­ti­sche Gewür­ze und Lebens­mit­tel erzeugt und gehan­delt wer­den: live, bunt und analog.

Auf nach … Sri Lanka!

Sri Lan­ka (Cey­lon) ist durch sei­nen Pfef­fer, Zimt oder Kar­da­mom als Gewürz­in­sel berühmt gewor­den, außer­dem seit dem 19. Jahr­hun­dert auch als bedeut­sa­mer Tee-Expor­teur. Seit über 25 Jah­ren wer­den auf der Insel auch bio­lo­gi­sche Gewür­ze und Lebens­mit­tel pro­du­ziert. Bekann­te Bio­mar­ken wie Mor­gen­Land, Son­nen­tor oder Wei­ling bezie­hen ihre Roh­stof­fe von der leuch­ten­den Insel im Indi­schen Oze­an. Hier woll­te ich hin und mei­nen Blick dafür schär­fen, was auf mei­nen Tel­ler kommt.

Ein Wim­mel­bild von roman­tisch bis groß­in­dus­tri­ell: eini­ge Eindrücke

Ich neh­me mir die Zeit, vie­le Tage lang durch die satt­grü­ne und frucht­ba­re Land­schaft der Insel zu strei­fen. Dabei kom­me ich in den Kon­takt mit Bau­ern­fa­mi­li­en, die Pfef­fer, Kaf­fee, Kakao, Reis oder Bana­nen anbau­ten und bekam Ein­bli­cke in die klein­bäu­er­li­chen Struk­tu­ren. Sie zei­gen mir, wie sie ihre Fel­der bewirt­schaf­ten und erzäh­len, wem sie ihre Ern­ten ver­kau­fen und für wie­viel (in den letz­ten Jah­ren immer weni­ger). Die Fami­li­en haben oft eige­nes Land und eini­ge Besitz­tü­mer. Aber ich tref­fe auch Ern­te­hel­fe­rin­nen, die mit gerin­gem Ein­kom­men und ohne eige­nes Land auskommen.

Die Pro­duk­ti­on von Tee und Kokos ist auf Sri Lan­ka nicht zu über­se­hen. Die Küs­ten­re­gio­nen sind bedeckt mit end­lo­sen Kokos­plan­ta­gen und deren Ver­ar­bei­tungs­be­trie­ben. Da sich die höhe­ren Lagen aus­ge­zeich­net zur Tee­pro­duk­ti­on eig­nen, blickt man im Hoch­land auf gan­ze Tee­land­schaf­ten. Bei­spiels­wei­se baut Lip­ton in der Regi­on um Hapu­ta­le auf über 1.000 Hekt­ar Tee auf unzäh­li­gen Ter­ras­sen an. Hier erfah­re ich, dass die ca. 2.000 Tee­pflü­cker­in­nen zwi­schen vier und fünf Euro am Tag ver­die­nen. Die meis­ten von ihnen besit­zen kein eige­nes Land.

Um einen Ein­blick in den bio-zer­ti­fi­zier­ten Anbau von Lebens­mit­teln zu bekom­men, besu­che ich mit einem Freund aus Leip­zig Law­rence Gold­berg (srilankacoffee.com), einen ame­ri­ka­ni­schen Bio-Pio­nier, der seit vie­len Jah­ren auf Sri Lan­ka lebt und mit regio­na­len Zuta­ten öko-fai­re Kaf­fee- und Scho­ko­la­den­spe­zia­li­tä­ten her­stellt. Er lädt uns zu sich ein, zeigt uns sei­ne Fel­der, auf denen ich die süßes­ten Erd­bee­ren mei­nes Lebens esse, und führt uns durch sei­ne klei­ne Manu­fak­tur, in der wir fri­sche Scho­ko­la­de ver­kos­ten. Anhand sei­ner vie­len Erfah­run­gen skiz­ziert er ein bun­tes Bild zwi­schen roman­ti­schem Lebens­mit­tel­an­bau und groß­in­dus­tri­el­ler Pro­duk­ti­on samt Export­ge­schäft. Am Ende ver­ab­schie­den wir uns mit den ers­ten Kon­tak­ten zu unter­schied­li­chen Export­fir­men. Hoch moti­viert, Pfef­fer und Zimt nach Leip­zig zu brin­gen, sind wir auch inter­es­sant genug für Gesprä­che mit Expor­teu­ren wie Lanka Organics, JAPC oder EOAS, die uns in ihren kli­ma­ti­sier­ten Büros wert­vol­le Ein­bli­cke in die Anbau­wei­sen, den Trans­port und die Wei­ter­ver­ar­bei­tung der hier hei­mi­schen Gewür­ze geben und vie­le Fra­gen beantworten.

Doch Büros sind Büros, und so fah­ren wir auf stau­bi­gen Pis­ten kilo­me­ter­weit ins Lan­des­in­ne­re zu den Dör­fern mit ihren tra­di­tio­nel­len Haus­gär­ten und ler­nen die Phi­lo­so­phie der Far­mer­ko­ope­ra­ti­ve SOFA aus 1. Hand ken­nen. In den bunt schil­lern­den Wald­gär­ten bau­en die Far­mer­fa­mi­li­en in tra­di­tio­nel­ler Wei­se Gewür­ze an und erklä­ren uns ihren per­ma­kul­tu­rel­len Ansatz, Pflan­zen­schutz und Dün­gung. Wir strei­fen mit ihnen durch den pri­va­ten Urwald, ent­de­cken hier und da oran­ge­far­be­ne Papa­ya, klei­ne Ana­nas, naschen von den zucker­sü­ßen Zimt­blät­tern und erken­nen, dass Pfef­fer ganz wun­der­bar an Kaf­fee­bäu­men empor rankt. Mit einer frisch geschla­ge­nen Kakao­frucht in der Hand spre­chen wir über die Kon­trol­len der ein­zel­nen Sie­gel, von denen eini­ge der Koope­ra­ti­ven-Mit­glie­der ein­mal im Jahr ange­kün­digt besucht wer­den und wie sie mit dem Preis­druck der Expor­teu­re umgehen.

Vol­ler Dank­bar­keit über so viel Offen­heit rau­schen wir mit unse­rem Tuk­Tuk zurück in die Stadt und berei­ten uns auf den Besuch der Fabrik vor, in der die Gewür­ze der Far­mer­fa­mi­li­en wei­ter­ver­ar­bei­tet wer­den. Wir erfah­ren, dass die Mus­kat­nüs­se per Hand geöff­net wer­den, um die eigent­li­che Nuss zu erhal­ten und sehen, wie Pfef­fer gerei­nigt, getrock­net und ste­ri­li­siert wird. Am Ende wis­sen wir auch, dass wir von die­sen Fir­men ein Kilo­gramm öko­fai­ren Pfef­fer für 12 bis 15 Dol­lar nach Deutsch­land impor­tie­ren könn­ten und die Opti­on auf eine frei­wil­li­ge Prä­mie haben, die den Far­mer­ko­ope­ra­ti­ven zu Gute kommt.

Was hal­te ich fest?

Über das, was auf mei­nen Tel­ler kommt, bin ich mit ande­ren Men­schen und Lebe­we­sen auf der gan­zen Welt ver­bun­den. Egal ob Äpfel aus Leip­zig oder Zimt aus Sri Lan­ka, an den vie­len Schrit­ten zwi­schen Erzeu­gung und Ver­zehr sind oft vie­le Men­schen an unter­schied­lichs­ten Stel­len betei­ligt: Bau­ern­fa­mi­li­en, Erntehelfer*innen, Arbeiter*innen in Fabri­ken zur Wei­ter­ver­ar­bei­tung, LKW-Fah­rer, Büro­an­ge­stell­te oder die Schiffs­crew, wel­che die Pro­duk­te nach Deutsch­land bringt.

All mei­ne Erleb­nis­se auf Sri Lan­ka stär­ken mei­ne Ein­stel­lung, dass es wert­voll ist, mög­lichst vie­le Fra­gen zur Wert­schöp­fungs­ket­te mei­ner Lebens­mit­tel zu stel­len. Dies wer­de ich wei­ter­hin tun, indem ich mit den Fir­men, die mei­ne Lebens­mit­tel erzeu­gen, wei­ter­ver­ar­bei­ten oder impor­tie­ren kom­mu­ni­zie­re! Ich habe jedoch ganz klar bemerkt, dass ich mei­ne Fra­gen viel kla­rer beant­wor­tet bekom­me, wenn die­se Men­schen in mei­ner Stadt leben, ich sie auf dem Wochen­markt, in ihrer Manu­fak­tur oder bei einem Leip­zi­ger Stra­ßen­fest am Stand tref­fen kann.

Ich hal­te fest, dass es mir höchst wich­tig erscheint, zu wis­sen unter wel­chen Bedin­gun­gen mei­ne Lebens­mit­tel erzeugt, wei­ter­ver­ar­bei­tet, trans­por­tiert und gehan­delt wer­den. Nur mit die­sem Wis­sen kann ich auch ver­ant­wort­lich han­deln. Dafür reicht lei­der weder ein EU-Bio-Sie­gel, noch ein Ver­bands- oder Fair-Trade-Sie­gel aus.

Ich könn­te jetzt noch sehr viel mehr schrei­ben, z. B. dar­über, dass es eine Rol­le spielt, ob unse­re Lebens­mit­tel aus einer Koope­ra­ti­ve stam­men, wo die Far­mer eige­nes Land besit­zen oder dar­über, dass auch Kor­rup­ti­on hier und da im Wim­mel­bild auf­taucht. Aber die „nor­ma­le“ Län­ge eines Blog­bei­trags habe ich schon mehr als gesprengt. Daher mei­ne Ein­la­dung an Dich: Lass uns doch ein­fach bei nächs­ter Gele­gen­heit mal mit­ein­an­der ins Gespräch kom­men, wenn Du noch mehr wis­sen möch­test. Ich freu mich schon! Bis dann …

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